Im Oktober 2019 führte die Erhöhung der Metropreise in Santiago de Chile zu heftigen sozialen Protesten. Über eine Million Menschen demonstrierten für ein gerechteres Bildungs- und Gesundheitssystem und eine neue Verfassung. An vorderster Stelle: Die Frauen. Der Filmemacher Patricio Guzmán liefert ein erfrischendes Zeitdokument, das fesselt und unter die Haut geht. Mit engagierten Essays von La batalla de Chile bis zu Nostalgia de la luz hat sich Patricio Guzmán längst einen Namen gemacht und die Traumata der Diktatur in seiner Heimat filmisch verarbeitet. Doch als 2019 in Santiago de Chile 1.5 Millionen Menschen mit demokratischen Forderungen auf die Strasse gehen, kommt das selbst für ihn überraschend - er hat nicht mit dieser Form von kollektivem Aktivismus gerechnet. Was Guzmán uns mit "Mi país imaginario" vorlegt ist denn auch weniger Erinnerung - es ist Aufbruch und Hoffnung. Der Film ist angesiedelt zwischen Reportage und Reflexion. Letzteres trägt die Handschrift des Altmeisters und macht den Film enorm bereichernd, Ersteres macht ihn zu einem der direktesten in seinem Werk. Im Orchester aus Kochtöpfen, Steinen und Sprechchören erklingen die Frauen besonders laut. Bilder und Erlebnisse des Schweizer Frauenstreiks kommen hoch, Farben, Parolen und Forderungen überschneiden sich. Die Proteste zeigen die Mobilisierungskraft der Frauen, es kommt zur Uraufführung des Protestsongs gegen Gewalt an Frauen, der darauf um die Welt gehen sollte: "El violador eres tú! - der Vergewaltiger bist du!" Ob in Madrid, Melbourne, Lausanne, Istanbul oder Caracas, der Song fand weltweit Nachahmerinnen. Mögen ihre Parolen noch lange nachhallen und Veränderungen bewirken. (Quelle: Verleih)