GROSSSTADTGEFLÜSTER
Grossstadtgeflüster, die Berliner Band, die seit 2003 den Bogen des guten Geschmacks von beiden Seiten
überspannt und mit ihren irgendwas um die 1000 gespielten Konzerten viele, viele, viele Menschen glücklich
gemacht hat, ist nicht zurück, sondern immer noch da. Mit neuem Stoff im Handgepäck.
Zuverlässig sind Jen Bender (Vox), Raphael Schalz (Keys) und Chriz Falk (Drums) eigentlich nur in ihrer
Unberechenbarkeit, wie das nächste Lied wohlklingen wird.Mit Evergreens wie „Fickt-Euch-Allee“ oder „Feierabend“ ständig am Hits ballern, die subkulturell anmuten, aber dann
generations- und genreübergreifend für im Kollektiv gemotzte gute Laune sorgen.
Da steckt ja immer ein bisschen Rave drin, ein bisschen Pop, ein bisschen Punk, ein bisschen HipHop, garniert von
stilistischen Querschlägern und U-Turns, ‚ner Menge Synthies und einem latenten Hang zur Exzentrik.
Den roten Faden bilden die, letztes Jahr mit dem GEMA-Musik-Autorenpreis ausgezeichneten Texte, die sich traditionell
zu einem Geflecht aus Wortwitz, Ironie, Doppelreimen, Meta-Ebenen und Punchlines zwischen philosophischem
Tiefgang und Rummelbumskalenderblättern zusammensetzen.
Die Hymnen von Grossstadtgeflüster sind tanzende Unabhängigkeitserklärungen, kopfnickende Befreiungsschläge von
gesellschaftlichem oder selbstgemachtem Erwartungsdruck, pogende Ping-Pongs zwischen Grössenwahn und Scheitern.
Aber nie wird mit dem Finger auf andere gezeigt, geschweige denn nach unten getreten.
Mit einem argwöhnischen Auge auf die ganze Spezies Mensch und einem liebenden Auge auf das Individuum wird seit
zwei Jahrzehnten und 6 Studioalben (inkl. zwei EP’s,) die Ambivalenz der Existenz zelebriert.
Und auch wenn sie sich der ganz klaren Kategorie immer entzogen haben, funktioniert es…
Über 100 Millionen Klicks alleine auf Spotify, über 50 Millionen auf YouTube, längst eine etablierte Partyinstanz auf den
landesweiten Festivals, die letzten zwei Hallen-Touren komplett ausverkauft…dazu wunderbare Features mit
Künstler/innen wie Danger Dan, Mine oder Fatoni.
Jen Bender, die überlebensgroße 1,59 kleine Frontfrau von Grossstadtgeflüster, Berliner Pflanze mit Berliner Schnauze,
ist dabei die personifizierte Antithese zum filterverseuchten Social-Media-Zeitalter.
Als wäre sie als Kind in einen Topf kaputter Kabel gefallen, poltert Jen über jede Bühne und wirkt in ihrem
entschiedenen Prokrastinieren von Reifeprozessen schon fast altersweise. Sie singt, sie flext, sie spittet, sie grölt, macht
Beats, komponiert und schreibt für sich selbst und andere. Sie tritt allein dadurch all jenen die sich in ihrer altbewährten
Ordnung gestört fühlen geflissentlich in den Allerwertesten und bietet damit ganz nebenbei als Frau mehr
Identifikationspotential als jede strassbehangene Feminismusfahne.
Kurz, sie bietet eine alternative Frauenrolle an, bei der Siegmund Freud verunsichert nach seiner Mutter rufen würde.
Die Ampeln stehen also auf neongrün für die nächste Rutschpartie.
„DAS ÜBER-ICKE“ erscheint am 09.02.2024